Bin jetzt schon 5 Tage hier. Santiago ist einfach nur eine wunderschöne Stadt. Ähnlich wie Burgos und Leon, eben nur nochmal eine Schippe drauf. Die tolle historische Altstadt, die kleinen Gässchen, viele kleine Cafes und Bars, das leckere, galizische Essen. Die Galizier sind nett, direkt und lebenslustig. Und über allen diese grossartige Atmosphäre der letzten Etappe und des „Ich habe es geschafft“, die von den täglich ca. 3.000 eintreffenden Pilger ausgestrahlt wird und die förmlich greifbar ist. Pleace to be. Und das Wetter steht dem in nichts nach, endlich Sommer

Ich kann mich von dieser tollen Stadt und der hier zu spürenden Atmosphäre nur schwer losreissen, werde aber nach 5 Tagen morgen zusammen mit Tana nach Finesterre aufbrechen. Wir haben entschieden, den Weg gemeinsam zu laufen. Konnte die Zeit hier wirklich genießen. Am Samstag haben ich mich mit Terry und Chaunnie einfach nur in die Gasse gesetzt, die zum Platz vor der Kathedrale führt und die neu eintreffenden Pilger beobachtet. Immer wieder schön, die Emotionen mitzuerleben. Terry mussten dann abreisen. Er sagte, der einzige Weg, den er künftig noch läuft, sind die 100m von seinem Haus zum Strand. Respekt, er ist 67 Jahre und hat sich trotz Verletzung bis zum Ende durchgebissen. Bei seiner Ankunft zeigte er eher weniger Emotionen und als ich ihn fragte, ob er seine Compostella habe wolle, sagte er nur“Fuck of Compostella“. Ok, legt er wohl kein Wert drauf, der kleine, zähe Australier. Als er sich aber von Chaunnie verabschiedete, flossen die Tränen bei beiden in Strömen. Sie kannten sich seit dem 2. Tag und haben die letzten 6 Wochen jede Minute gemeinsam auf dem Camino verbracht. 6 Wochen hier lassen eine sehr starke, emotionale Bindung entstehen, die nur schwer nachzuvollziehen ist. Ich kann sie verstehen. Am Sonntag empfingen Chaunnie und ich gemeinsam Tana, der am Sonntag morgen eintraf. Musste alles geben, um so früh da zu sein. Wollte aber, dass er das Gefühl mit jemanden teilen kann, den er kennt. Er schrieb mir, dass er sich unterwegs manchmal ein wenig einsam vorkommt und eher schwer mit Leuten in Kontakt kommt. Er ist ein sehr tiefgründiger, toller Mensch und ich mag ihn. Anschließend hat er mir erzählt, dass er mir dafür unendlich dankbar ist. Wieder Camino Feeling. Dann besuchte ich noch die Messe in der Kathedrale, die wiederum ein wenig imposanter ist als die in Burgos und Leon. Jede Kirche zu Hause wäre neidisch auf den Andrang. Die meisten kamen nicht mehr rein, obwohl die Kirche riesig ist. Jeder Sitzplatz und jeder Stehplatz war belegt. Mehrere hundert Menschen besuchten die Messe und für mich ein schöner Abschluss. Abends sind wir dann zu dritt losgezogen. Heute ist Noche de San Juan. Die Spanier feiern den längsten Tag des Jahres, und sie verstehen zu feiern. Die Stadt ist voll, die Leute tanzen ausgelassen auf den Straßen, super Stimmung. Überall wird Fisch auf offener Holzkohle gegrillt, ein unvergleichlicher Duft liegt über der Stadt. An jeder Ecke entzünden die Spanier ein Feuer, um dann drüber zu springen und haben offensichtlich einen Heidenspass dabei. Ein alter Brauch, um Hexen und Geister zu vertreiben. Zu später Stunde wollte das Chaunnie auch ausprobieren. „Chaunnie, i think, it“s not a good idea“. Er schläft heute bei mir im Hotel, da er keinen Platz mehr in der Albergue bekommen hat. Wir machen uns auf dem Heimweg. Wir kommen an dem Platz vor der Kathedrale vorbei, diesmal menschenleer. Wir setzen uns in die Mitte, genießen die warmen Sommernacht und unterhalten uns noch eine Stunde bevor wir endgültig die Nacht beenden und schlafen gehen. Tana ist nicht mehr zu finden und ist mit einer der Spanierin in der Menge vorhin verschwunden, die wir kennengelernt haben. Doch nicht so schüchtern, der Tana.

Auch der Abschied von Chaunnie war emotional. Er schrieb mir später dies:Jens my friend, thanku for looking after me and for being such a true friend, it was an absolute pleasure to meet u, u r such a great person with such a big heart, follow your heart bigman, good things happen to good people, and Ur a fantastic person, sliante ma chara, enjoy the rest of Ur journey, Buen Camino from Ur wee Irish friend 🇮🇪🍺🇩🇪

Es braucht nur wenig Zeit, um eine tiefe Bindung aufzubauen.